Intelligente Roboter montieren IKEA Stuhl

Von Mischa Hammann

Warnung: Wer noch nie einen Schrank, Stuhl, Tisch oder ein Bett von IKEA zusammengebaut hat, wird diesen Artikel nicht verstehen! Intelligente Roboter können Rechnen, Schwimmen, Tanzen, Bälle werfen und fangen sowie gigantische Gewichte stemmen. Aber das ist alles Kinderkram gegen die ultimative Herausforderung: Können sie einen IKEA Stuhl zusammenbauen? Diese Frage ließ Wissenschaftlern der Nanyang Technological University of Singapore offensichtlich keine Ruhe. Also starteten sie ein Experiment.

Intelligente Roboter aus Industrierobotern

Zunächst nahmen sie einige Arme von Industrierobotern und bestückten diese mit Greifwerkzeugen, Druckkraftsensoren und 3D-Kameras. Anschließend schrieben sie eine Software, die es den aufgemotzten Robotern ermöglichen sollte, den Stuhl zusammenzubauen. Zum Schluss wurden alle Einzelteile des Stuhls in einer zufälligen Verteilung in die Reichweite der Roboter gelegt und das Experiment nahm seinen Lauf.

Sollte nun ein Leser trotz meiner eingangs geschriebenen Warnung bis hierhin gelangt sein: IKEA Möbel sind von Haus aus vermeintlich einfach und benutzerfreundlich konstruiert. Dennoch gibt es vermutlich keinen IKEA Kunden, der nicht schon einmal sein neues, gerade fertig zusammengebautes Möbelstück fluchend demontiert hat, weil er am Ende doch irgendein Teil vergessen oder falsch herum montiert hat. Dabei hilft auch nur bedingt die meist ausschließlich in Bildern gehaltene Aufbauanleitung, die arglistig die vermeintliche Simplizität des Möbelstücks vortäuscht.

Auch intelligente Roboter sind emotionslos

Zerlegen wir die Aufgabe in Einzelteile, so wird schnell deutlich, wie komplex die Anforderungen an den Monteur sind. Kontrollierter Krafteinsatz, eine präzise Auge-Hand-Koordination, Formerkennung und nicht zuletzt die Fähigkeit, geduldig vom Anfang bis zum Ende der Aufbauanleitung zu arbeiten und eben nicht überhastet draufloszuschrauben. Genau diese Fähigkeiten sind (noch) nicht das Spezialgebiet von Robotern, die in der Regel dafür gemacht sind, einzelne oft einfache Vorgänge schnell und präzise zu wiederholen. Einen Vorteil haben die Maschinen aber bereits: Sie flippen nicht so schnell aus, wenn es auf Anhieb mal nicht klappt.

Zurück zum Experiment: Nun mussten die Roboter über ihre Kameraaugen herausfinden, welches Teil welches ist. Dann die Teile an der richtigen Stelle in der richtigen Reihenfolge zusammenzubringen, um diese dann unter Einsatz des richtigen Krafteinsatzes zusammenzusetzen. Und um es kurz zu machen: Sie haben es geschafft. Es dauerte eine Weile und mehrere Versuche, aber letztlich stand der Stuhl zusammengebaut und ohne (dokumentierte) Verluste an Teststühlen fertig da. Aufbauzeit: 9 Minuten. Das ist respektabel!

Die Sache hat jedoch einen Haken: Nämlich bauten die Roboter den Stuhl nicht selbständig zusammen. Vielmehr wurde jeder einzelne Schritt geplant und millimetergenau programmiert. Insofern basiert dieser Versuch nicht auf dem Einsatz intelligenter Roboter. Die wichtige Erkenntnis aber ist: Auch wenn dieser erste Versuch noch sehr stark von Menschenhand geführt wurde, ist es grundsätzlich möglich, dass Roboter so komplexe Tätigkeiten ausführen. Im nächsten Schritt würden die Roboter mit einer Künstlichen Intelligenz ausgestattet, die es ihnen ermöglicht, gelerntes zu verarbeiten und zu übertragen. Der Weg zum intelligenten Roboter, der Möbel selbständig zusammenbaut oder sich andere komplexe Tätigkeiten selbst beibringt, ist dann vermutlich nicht mehr so weit.

KI in Kombination schafft ganz neue Perspektiven

Aus Marketingsicht ist das jetzt vermutlich kein besonders bedrohliches oder aufregendes Experiment gewesen. Aber es ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie komplex und vielfältig die Möglichkeiten sind, die sich durch KI in Kombination mit anderen Dingen ergeben. Allein die Kombination aus KI und Robotik öffnet Raum für Millionen Anwendungsszenarien, Produkte und Services. Die Kunst des Erfolges wird zukünftig auch darin liegen, Potenziale zu erkennen und anzugehen. Die Trennung zwischen Produktentwicklung, IT, Marketing etc. wird durch diese Entwicklung immer weiter aufbrechen. Und so sind auch Marketer gefragt, sich Gedanken zu machen, statt nur die aus der Entwicklung kommenden Produkte zu vermarkten. Vielleicht wird auch „in zehn Jahren ein Hochschulabschluss in Philosophie mehr wert sein, als ein Abschluss in Informatik.“ (Mark Cuban). Aber das ist eine andere Geschichte.

Dieser Artikel basiert auf einer Geschichte des „Singlarity Hubs„: